Von Heinz & Rainer Pollmeier
Neben Porzellan gelten Lackarbeiten als besonders charakteristisch fuer das Kunsthandwerk des Fernen Ostens. Sie sind ein lohnendes und ungemein reizvolles Sammelgebiet. Lackkunst ist handwerklich und aesthetisch nur aeusserst schwierig und zeitraubend zu gestalten. Das schuetzt vor Faelschungen. Darum ist ein Einstieg in Ostasiatika ueber ,Laquerware' ohne Risiko. Die fuer den Massentourismus gefertigten Waren fallen sofort durch ihre Minderwertigkeit und Plumpheit auf.
In Bangkok finden Sie die preisguenstigsten Lackarbeiten auf dem Chatuchak-Wochenmarkt. Aber winken Sie ab, wenn der Lack auf der Unter- und Rueckseite fehlt, duenn ist und glanzlos, die Dekore und Gravuren primitiv wirken, die Beschlaege fluechtig gearbeitet sind, Schrauben oder gar Naegel das Industrieerzeugnis blossstellen.
Ein Naturprodukt Der ostasiatische Lack, den man bei uns seit dem 17. Jh. schaetzt, ist im Gegensatz zu seinen, nur fuer Konservierungszwecke verwendeten europaeischen Nachahmungen ein natuerlicher Rohstoff. Wie auf den Kautschukplantagen schneidet man Rinde und Bast des Lackbaumes, rhus vernicifera, waagerecht ein, um den grauweissen, dickfluessigen Stammlack zu gewinnen, der an der Luft braeunlich nachdunkelt. Fuer mindere Qualitaeten werden Zweige eingekocht. Der Rohlack wird gereinigt, homogenisiert, dehydriert und je nach Verwertung praepariert: Schwarzlacke werden mit einem Sud von Eisenfeilspaenen in Essig gefaerbt, fuer Rotlack verwendet man Zinnober, fuer Gruenlack Zusaetze von Schwefelarsen oder Mischungen mit Indigo usw.
Im Unterschied zu europaeischen Harz- oder chemischen Lacken wird dieser Saft in trockener Luft nicht hart, sondern nur bei hoher Luftfeuchtigkeit von 75-80% und bei einer Temperatur von 25-30 Grad. Folgerichtig, wenn auch fuer uns verblueffend, wird in einem Feuchtschrank getrocknet. Ein einmal gehaerteter, intakter Lack ist erstaunlich widerstandsfaehig, unempfindlich gegen Feuchtigkeit und Faeulnis, gegen Saeuren und Akalien. Heisse Fluessigkeiten schaden nicht, Lack haelt sogar Waerme. Chinesische Lackgegenstaende haben unversehrt Jahrhunderte im Wasser ueberdauert.
Ursprung, Herstellung und Verwendung 'Kolumbus war Chinese' heisst ein populaeres Taschenbuch, das sich mit den Erfindungen und Entdeckungen des Fernen Ostens befasst. Und so wurde der natuerliche Saft zuerst in China genutzt. Die fruehesten Funde lassen sich bis in die Shang-Dynastie (16.-11.Jh. v.Chr.) datieren, sicher als Lack identifizierbar sind Gegenstaende aus der Chou-Periode (1027-256 v.Chr.). Rotlack wurde angeblich schon in der Sung-Dynastie (960-1279) auf einem Gold- oder Silberkern verarbeitet. Chinesischer Schnitzlack ist weltberuehmt. Die Techniken gelangten etwa zur T'ang-Dynastie (618-906) in das Japan der Nara-Zeit (646-793) und entfalteten dort ihre volle Bluete. Auch in Japan hat es nach Grabungsfunden vor der Übernahme chinesischer Kultur bereits Lackgeraete in vor- und fruehgeschichtlicher Zeit gegeben.
Als Grundlage fuer die Lackschichten dient vornehmlich Holz; das hat einen Nachteil: Da der Holzkern lange arbeitet, entstehen leicht Risse. Um sie zu vermeiden, wird sehr sorgfaeltig grundiert und vorlackiert. Zwischenlack wird aufgestrichen, den die Chinesen 'Grob-', die Japaner 'Mittellack' nennen. Hierauf wird jede einzelne Schicht hauchduenn in Zehnteln von Millimetern aufgetragen, jede Lasur muss in feuchter und staubfreier Luft aushaerten und trocknen. Von Hand wird mit Schleifpulver aus Pflanzenasche poliert, bevor die naechste Schicht aufgetragen wird. Die oberste ist meist farbiger Stammlack allerbester Sorte, der mit einer Paste aus Hirschhornpulver und Öl aufs feinste poliert wird. Qualitaetslackarbeiten werden wochenlang in fast dreissig Arbeitsgaengen aufgebaut, bevor Dekortechniken unvergleichliche Haltbarkeit mit vollendeter Schoenheit verknuepfen.
Nahezu jeder Gegenstand kann als Lackarbeit hergestellt oder mit Lackzierat veredelt werden. Lackschichten lassen sich neben Holz auf Bambus- und Rohrgeflecht, auf Seide und andere Textilien, auf Papier, seltener auf Metall und Leder, Keramik, Ton, Pappmasche', Leinwandbrei und Reiskleister auftragen. Die Skala der Lackverwendung reicht ueber fast alle Lebensbereiche, zur ostasiatischen Lackkunst zaehlen Vasen und Schalen, Schmuckbehaelter und Speisegeraete, Kisten und Kaesten, Moebel, Saettel und Schwertscheiden. Reiche Variationen und Kombinationen von Gravuren, versenkten, flachen und erhabenen Reliefs zusammen mit eingestreuten und gemalten Bildern lassen eine Vielzahl an Gestaltungsmoeglichkeiten zu.
Zur Technik Zu den Eigenschaften der Lackarbeiten wie spiegelnder Glanz, leichtes Gewicht und angenehmes Gefuehl beim Beruehren reizt die ungmeine Vielfalt der Dekortechniken: farbige Lackgruende, Lackmalerei, Schleif-, Schnitz-, Ritzlack, Lackauflagen, Streu- und Trockenlack, die im Standardwerk "Buch der ostasiatischen Lackkunst", Duesseldorf 1959, ausfuehrlich beschrieben werden.
Lackmalerei kommt in China auf den aeltesten erhaltenen Exemplaren der Chou- und Han-Zeit (206 v.Chr.-220 n.Chr.) vor. Metalleinlagen wurden sehr frueh zur Belebung der schwarzen Oberflaeche verwendet. Das Tauschieren stammt aus der Metallverarbeitungskunst und man versteht darunter das Einlegen von Metalldraehten, meist aus Gold oder Silber.
Die Einlegetechnik mit Perlmutt wurde erst in der T'ang-Dynastie voll entwickelt. Man nimmt an, sie ist aus Annam oder Thailand nach China gekommen. Perlmutt, aber auch geschnittene Plaettchen aus Jade, Koralle, Bernstein oder Bergkristall werden in die noch feuchte Lackmasse eingefuegt und liegen in der gleichen Ebene wie die Lackoberflaeche oder stehen ein wenig ueber, so dass man auch von Perlmutt-Auflagen sprechen kann. Spaeter uebertrafen die Koreaner und die japanischen Kuenstler die chinesischen Lehrmeister. Perlmutt ist bis heute fuer die koreanische Lackkunst typisch. Im Kunsthandel spricht man von 'laque burgaut`ee', wenn die blaeulich-gruen getoenten, stark irisierenden Schalen der Glimmer- oder Blaumuschel aufgelegt wurden.
In China bevorzugte man seit der Yuean-Dynastie der Mongolen-Herrscher (1260-1368) die als 'ausgeschnittenes Gold' bezeichnete Ritzlacktechnik, Blattgoldgravuren, und den Schnitzlack, bei dem in eine zentimeterdicke und bis zu 300 Schichten aufgebaute Rotlackkruste vor dem Hartwerden der Dekor eingeschnitten wird. Die Japaner entfalteten ihre Meisterschaft im raffinierten Goldstreudekor. Partikel von Gold, Silber oder Legierungen werden in den feuchten Lackgrund oder auf -zeichnungen gestreut, ueberfangen, wieder auspoliert oder auch nicht. In den verschiedensten Techniken unterscheidet man allein fuenfzehn Feinheitsgrade des Goldpulvers.
Lackkunst in Thailand Die Yun oder Kern sollen diese Kunst aus den noerdlichen Bergen Burmas nach Chiang Mai gebracht haben. Die Region ist Zentrum fuer Herstellung und Vermarktung. Wie in allen Laendern Suedostasiens haben sich eigene, typische Methoden und Formen entwickelt: In Thailand zaehlen zu den bevorzugten Erzeugnissen kleine Elefanten, Schatullen, Schauteller und -tafeln, die ueppig mit komplizierten Darstellungen von Taenzerinnen und Kriegern prunken.
Mit der Nadel in die glatte Lackflaeche geritzter Dekor gehoert zu den naheliegenden Moeglichkeiten, Lack zu verzieren. Die fruehe Geschichte dieser Technik ist ziemlich unklar. Sie hat sicher eine Beziehung zu Thailand und Burma. Die Gravuren wurden auch hier mit Gold oder Farbe eingerieben, damit sie sich deutlich vom Grund abheben. "Die japanischen Teemeister haben im 18. und 19. Jh. den einfachen und 'exotischen' Reiz solcher suedostasiatischen Lacke zu wuerdigen gewusst und sie mit dem alten japanischen Namen fuer Thailand kimma genannt. Sie wurden auch bald in Japan imitiert, besonders in Sanuki auf der Insel Shikoku," schreibt Roger Goepper in seinem Handbuch fuer Sammler und Liebhaber.
Neben einheimischen, chinesischen und burmesischen Kunstwerken kann man in Thailand vietnamesiche ,Lackware' erstehen. Sie wird durch Laos und Kambodscha geschmuggelt und kann preiswert in den Grenzstaedten Aranyaprathet und Mukdahan erworben werden. Die meist rotbraune Lackkunst mit exquisiten Perlmutteinlagen reicht bis zu Schraenken, Stellwaenden und Schautafeln in Folge, die als Wandschmuck dienen und Legenden darstellen.
Als die Chinoiserien in Europa in Mode kamen, wurde die Technik des Koromandellacks von Moebelherstellern fuer die Verzierung von Truhen. Moebeln, Paravents und Tueren gern kopiert. Sie wurden mit Kreide grundiert und mit Schwarzlack ueberzogen. Die Darstellungen schnitt man vor dem Antrocknen bis auf den Kreidegrund aus und bemalte sie farbig. Bei modernen chinesischen Nachahmungen ist Vorsicht geboten. Sie tragen ueber der Kreide nur duennen, braunen Lack, der leicht Risse bekommt und abplatzt. Manche Stuecke sind so schlecht gearbeitet, dass man die streifigen Pinselstriche erkennt.
Sachgerechte Pflege Lackkunst benoetigt Pflege. Ein edles Stueck sollte man nur mit weicher Seide anfassen und abstauben, um Schweissflecken und Kratzer zu vermeiden. Sonnenlicht bleicht die Farben aus. Die im Tropenklima hergestellten Gegenstaende vertragen nicht die trockene Luft zentralgeheizter Raeume. Nur bei gleichmaessiger, kuehler Temperatur und angemessener Luftfeuchtigkeit werden Sie lange Freude an der Lackkunst haben. Der Kern jeden Stueckes hat eine lebendige Seele. Wenn die Lackschichten Spannung erhalten, werfen sie sich und blaettern ab. Selbst in Japan stellt man in heissen Sommern Schalen mit Wasser in die Vitrinen.
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